Ich bin manchmal erstaunt, wie gut mein Herz mich durch die Entscheidungen geführt hat, die ich zu treffen hatte... es hätte alles ganz anders kommen können. Aber man kann jede Entscheidung nur einmal treffen, und es ist unmöglich, die Abzweigung nachträglich zu nehmen...
Wir neigen daher dazu, die eigene Geschichte als folgerichtig zu interpretieren, auch wenn darin lediglich eine gute Portion Gewöhnung steckt. Und doch ist der Beitrag, den das Herz leistet, dieses Gewordene zu verstehen und anzunehmen, nicht zu unterschätzen. Dazu bedarf es einer "Logik des Herzens", wie Pascal es nennt, und ich sehe das Herz nicht als Sitz von Leidenschaften, sondern eher als den Ort des Bekennens, von dem aus die ganze Person spricht, nicht nur Teile davon, wie wir es im Alltag tun.
Auf der anderen Seite hat sich mein Herz auch schon geweigert, mir seinen Dienst zu tun: Zweimal lag ich mit einer Herzrhythmusstörung auf einer Intensivstation, wie um mir vor Augen zu führen, dass das alles keine Selbstverständlichkeiten sind.
all rights by Frank Brückner
8.2.2021
Das Herz ist angekommen.
Wir legen damit weite Wege zurück. Je länger wir unterwegs sind, desto weiter. Unvorhersehbar, wohin es uns geführt hat, wohin es uns führen wird, auch wenn wir meinen, unsere Schritte lenken zu können.
Das Herz ist immer schon da gewesen.
Geröll
Es ist eine der schwierigsten Aufgaben unserer Existenz, nicht zu vergessen, dass die Person , die die meiste Zeit in uns agiert, nicht unbedingt die ist, die für uns als Person spricht. Die wird nämlich im Alltag oft genug vom Geschäft verschüttet.
Oder wie Wittgenstein es ausgedrückt hat:
"Jeden Morgen muß man wieder durch das tote Gerölle dringen, um zum lebendigen, warmen Kern zu kommen."
(Ludwig Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen, Suhrkamp 1978, S.12)
Ghosts
Was ich an meinem Instrument Gitarre liebe, ist die Gegensätzlichkeit der Klänge: Wenn man sie klassisch spielt, hat man den reinen, puren Ton, gebildet von den Fingerspitzen, dem Druck auf die Saiten, der Dynamik der Bewegungen. Auf einer elektrischen Gitarre kann man natürlich auch mit dieser Ästhetik spielen, man kann den Klang aber auch durch Effektgeräte bis zur Unkenntlichkeit verändern. Mich faszinieren dabei vor allem die Klänge, die entstehen, wenn man die Effekte "nicht bestimmungsgemäß" verwendet. Kombiniert man mehrere miteinander, tauchen elektronische Artefakte auf, die auf mich immer so wirken, als würden die Geräte ein unvorhersehbares Eigenleben führen: Ghost in the Machine.
Benutzen Sie Kopfhörer! Use your headphones!
Alltag
Ich nehme Sie heute mit an meine Arbeitsstätte, die Musikschule der Landeshauptstadt Saarbrücken. Einen nicht unerheblichen Teil meiner Lebenszeit verbringe ich jede Woche in diesem Gebäude, in diesem Zimmer. Seit bald 22 Jahren unterrichte ich in diesem Raum, nicht ausschließlich, mittlerweile aber 5 Tage die Woche. Dieser Raum hat vieles erlebt, Glücksgefühle im nahtlosen Zusammenspielen, Scheitern an den Schwierigkeiten des Instruments, Tränen der Überforderung (wegen des Leistungsdrucks unter dem manche Kinder stehen, nicht wegen mir!), abgründige Müdigkeit und stundenlange Konzentration.
Ich liebe es, hier zu arbeiten: Die Aufgabe, Menschen über das Instrument Gitarre Musik zu vermitteln, wird mir trotz aller Routinen nicht langweilig. Viele sind mir ans Herz gewachsen, ich lasse sie am Ende gerne ziehen.
Störungen
Seit ein paar Jahren habe ich immer wieder mal mit Herzstolpern zu tun. Von Ärzten bin ich gefragt worden: "Woran haben Sie das gemerkt?", "Wie fühlt sich das an?". Jetzt kann ich sagen, "So, wie in diesem Film."
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Abseitiges Gefühl
Tag und Nacht.
Der konstituierende Dualismus auf der Erde.
Rotation
Der unaufhörliche Wechsel von Tag und Nacht scheint uns Zeit als etwas Fortschreitendes erleben zu lassen. Kein Tag kommt zurück, kein Moment ist wiederholbar.
Trotzdem kommt es mir manchmal vor, als würde alles gleichzeitig passieren und sei nur zu unserem besseren Verständnis nacheinander in die Zeit aufgefaltet.
Gegenwart als Gegenwart aller Gegenwarten ist uns unmöglich.
heart in chains
so sieht´s aus: Mein Herz hängt gefangen in der Garage an der Kette der Sachzwänge...
so geht's manchmal: Mal eben versucht, allem und allen gerecht zu werden und dann ist der Winter vorüber...
Klar, wir müssen uns durcharbeiten durch diese Zeiten, es macht aber absolut keine Freude.
Ich setze auf Newton: die Zeit schreitet voran, diese Zeiten werden irgendwann hinter uns liegen, dann kommt der Tag, an dem ich die Kette für einen Moment ablegen kann.
blossom blues
Das Jahr ist circa 1983, ich liege unter einem blühenden Baum, irgendwo in der Nähe von München. Den Ort und Anlaß habe ich vergessen, den Klang aber als Ohrenmensch nicht. Hunderte von Insekten, Bienen Hummeln, Fliegen, Käfer, tummeln sich in den Blüten über mir und ihr Summen erzählt von einem Zutrauen in den Gang der Natur, das mir fremd ist. Fast scheint es sich auf mich zu übertragen, und mir einen Teil der Unsicherheiten zu nehmen, denen ich als junger Mensch ausgesetzt bin.
Ich begrüße immer noch den Frühling und beäuge im Garten die Blüten in dem Mirabellenbaum über mir, aber ich höre nicht den gleichen Klang, sehe nicht die Hundertschaften von Insekten, und selbst die Wolken haben sich verändert. Veränderungen, die meine Erinnerung als Zeugnis einer untergegangenen Welt erscheinen lassen. In all der Erleichterung über das Ende des Winters, die Fröhlichkeit des Frühlings, steckt für mich eine tiefe Traurigkeit über das Versagen, das sich meine Generation im Umgang mit der Welt geleistet hat.
Theater
Das hier ist einer meiner liebsten Plätze: Es ist mein Platz im Orchestergraben des Saarländischen Staatstheaters, in einer Stunde beginnt die nächste Vorstellung von Andrew Lloyd Webbers "Evita". Ich bin wohl kein Fan von Webber, aber das Spielen in dieser Produktion macht ausgesprochen Spaß. Von puren, klassischen Klängen bis zur dreckigen Rock-Gitarre hat der Part eine große Bandbreite.
Dabei wirft mir jede Produktion, an der ich mitwirken darf, eine andere Herausforde-rung vor die Füsse bzw. auf das Notenpult: E-Gitarre, klassisch, Banjo, Slide-Guitar, Weill, Zimmermann, egal, jedesmal ist es anders, jedesmal gibt es etwas anderes zu lernen. Im Graben zu sitzen und das selbe Stück mehrmals oder sogar oft hintereinan-der zu spielen, ist für mich wie eine Fortbil-dung: Wie ist das komponiert, wie lang sind die Phrasen, wie ist es arrangiert, welche Farben ergeben sich?
Selbst wenn ich nach einem anstrengenden Arbeitstag am Abend ins Theater komme, empfinde ich das Spielen hier nicht als eine zusätzliche Arbeit, sondern eher wie einen Zieleinlauf: Der Tag ist geschafft, der Kram wird vom Tisch gewischt, dasitzen, zuhören, spielen, spielen...